Autismus verstehen – unsere 5-teilige Reihe! Teil 4

Autismus verstehen – unsere 5-teilige Reihe! Teil 4

Interview-Fragen zum Welt-Autismus-Monat an die Eltern von Eric

Zu Beginn würden wir uns freuen, wenn Sie sich kurz vorstellen könnten.

Wir sind die Eltern von Eric. Erics Mutter kommt aus Verden, Erics Vater aus Cheltenham in England. Kennengelernt haben sie sich in London. Bis Juli 2022 hat die Familie in Bristol gewohnt und sind dann nach Verden gezogen. Eric ist in Bristol zur Grundschule gegangen.

Wie lange sind Sie bereits Eltern eines autistischen Kindes, und welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gesammelt? Gibt es etwas, das Sie uns über Ihren Alltag mit Eric oder Ihre allgemeinen Erfahrungen im Umgang mit neurodiversen Kindern erzählen möchten?

Eric ist 14, also seit 14 Jahren.

Wie sieht Ihr Alltag als Familie aus? Gibt es besondere Routinen oder Strukturen, die helfen?

In unserem Alltag gibt es feste Morgen- und Abendrituale und einen strukturierten Ablauf der Nachmittage. Das gibt uns allen Orientierung und hilft uns die Zeit so einzuteilen, dass Eric Zeit für Schule und seine Hobbies hat und sich auch von Stress des Schulalltags erholen kann.

Was sind die größten Herausforderungen im Alltag, und wie geht es Ihnen damit?

Wir sind viel „näher dran“ als andere Eltern von 14-jährigen, bringen ihn zur Schule, begleiten ihn bei den Hausaufgaben und beim Üben auf seinen Musikinstrumenten. Da bleibt nicht viel Zeit für anderes.

Wie hat sich Ihr Familienleben verändert, seit Sie von der Diagnose erfahren habt? Seid wann steht die Diagnose und wie haben Sie es bemerkt?

Erics Diagnose besteht erst seit 2020. Wir haben sie stellen lassen, um für ihn die nötige Unterstützung in der weiterführenden Schule zu sichern. Er hatte aber in unsere früheren Heimat Bristol schon mit 5 Jahren, also seit der Vorschulklasse, Schulbegleitung.

Uns war auch schon seit seinem 2.-3. Lebensjahr klar, dass er sich anders entwickelt als andere Kinder. Wir haben gesehen, dass er in unruhigen Umgebungen schnell in Stress gerät, sich für andere Kinder nicht interessiert, sich nicht umdreht, wenn man seinen Namen ruft und auf Fragen nicht antwortet. Die Spezialinteressen kamen dann mit Wucht mit etwa drei Jahren hinzu.

Welche Vorurteile oder Missverständnisse über Autismus begegnen Ihnen am häufigsten?

Man sieht Autisten ihre Besonderheit nicht an! Eric ist noch dazu groß für sein Alter.

Das führt dazu, dass manche Leute ihn falsch einschätzen und mit Unverständnis reagieren, wenn er in Stress gerät oder sich nicht so „erwachsen“ verhält, wie erwartet.

Was würdet Sie sich von der Gesellschaft oder Politik für autistische Menschen wünschen?

Von der Gesellschaft wünschen wir uns Toleranz und Gelassenheit.

Von der Politik wünschen wir uns Unterstützung der Inklusion in allen Schulformen. Wir glauben, dass letztlich alle Schüler von einer Umgebung, die Autisten hilft, profitieren, z.B. von klaren Strukturen, klaren Aufgabestellungen und einem ruhigen Arbeitsumfeld.

Wie können andere Eltern oder Freunde am besten unterstützen?

Eric hat in Verden einen etwas älteren Freund gefunden, der auch Autist und orgelbegeistert ist. Das Gute daran ist, dass die Eltern keine Scheu im Umgang haben. Und für Eric bedeutet es ein Stück Unabhängigkeit und wachsendes Selbstvertrauen. Die beiden waren kürzlich zum ersten Mal allein im Schwimmbad! Mark hat nur für den Fall eines Falles im Café gesessen.

Was sind die schönsten Momente, die Sie mit Eric erlebt haben?

Viele! Man kann sie gar nicht alle aufzählen! Wir haben wunderbare Urlaube miteinander verbracht, die wir immer als Entdeckungsreisen planen. Wir freuen uns riesig über Erics Musikbegeisterung und sind stolz darauf, wie unermüdlich er auf seinen Instrumenten übt.

Gibt es etwas, das Sie anderen Eltern von autistischen Kindern mit auf den Weg geben würden?

  • Ruhe bewahren!
  • Auf Spezialinteresse neugierig sein. Wir haben von Erics Interesse an Kirchenorgeln, den alten Ägyptern und Dampfloks auch selbst profitiert.
  • Ein Team aus Familie, Lehrern, Schulbegleitung, Träger, JuFa-Kontakt und Therapeuten … aufbauen, mit dem man sich vertrauensvoll austauschen kann und Schwierigkeiten gemeinsam angeht.
  • Lieber zu viel als zu wenig kommunizieren: Fragen stellen, Termine und Dokumente weitergeben, Bedürfnisse mitteilen.

Eric ist ein Einzelkind, wir können dadurch auf seine Bedürfnisse leicht Rücksicht nehmen. Das war als er klein war ein Luxus und ist in Familien mit mehreren Kindern natürlich anders. Aber jetzt werden seine Großeltern alt und er muss seine Wünsche auch mal zurückstellen! Alles zu seiner Zeit.

Gibt es bestimmte Strategien oder Tools, die Eric im Alltag helfen? (z. B. visuelle Pläne, sensorische Hilfsmittel, Apps)

Pläne und Routinen sind wichtig. Wir haben ein Whiteboard in der Küche, auf das wir unseren Tagesplan schreiben. In der Schule hängt der Stundenplan an der Wand. Bei der Organisation der Hausaufgaben hilft der Schülerkalender.

Wie unterstützen Sie Eric dabei, mit Stress oder Überlastung umzugehen?

Mit viel Humor!

In Stresssituation steckt ganz oft auch ein komisches oder absurdes Element. Als Eric kleiner war haben wir Handpuppen benutzt, die seine Sicht der Dinge reflektiert und kommentiert haben.

Wenn man über den Stress lachen kann, ist er schon fast besiegt!

Außerdem darf Eric auch ruhig mal „nein“ sagen und sagen, dass ihn eine Situation stresst.

Feste Rückzugszeiten sind wichtig, ein Spaziergang hilft oft, ein Puzzle oder Musik. Manchmal kauen wir auch einfach Kaugummis.

Wir würden gerne noch mehr über Ihren Sohn Eric erfahren. Gibt es etwas, das Sie uns über ihn zusätzlich mitteilen möchten, das Ihnen besonders wichtig ist?

Seine Spezialinteressen haben uns ungemein bereichert.

Er lernt seit einigen Jahren Orgel und Posaune und wir sind sehr stolz darauf, dass er sich von Stressmomenten nicht aufhalten lässt und mit Ernst und Motivation bei der Sache ist.

Und ich muss sagen, dass wir uns von der Klassenlehrerin, der Inklusionsbeauftragten und den anderen Lehrkräften des GAW (Gymnasium am Wall) wirklich toll unterstützt fühlen. Die Zusammenarbeit mit der Schule ist absolut offen und es ist überhaupt keine Frage, dass Eric zur Schulgemeinschaft und Klassengemeinschaft dazugehört.