Autismus verstehen – unsere 5-teilige Reihe! Teil 2

Interview-Fragen zum Welt-Autismus-Monat von der Leitung Schulassistenz Ilka Herold

Stell dich gerne kurz vor! Wer bist du? Welche Ausbildung oder Erfahrung hast du, die dich auf diese Aufgabe vorbereitet hat? Wie groß ist der Bereich Schulassistenz?

Mein Name ist Ilka Herold, ich leite das Geschäftsfeld Schulassistenz bei der Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V. Ich habe ein Lehramtsstudium und eine Ausbildung zum Personaltrainer abgeschlossen. Ich arbeite seit 10 Jahren im Bereich Schulassistenz, davon die ersten 7 Jahre mit Schülern mit ASS. In dieser Zeit habe ich mich nebenberuflich zum aut.In-Coach weitergebildet, um fachlich fit für die Begleitung, Beratung und Unterstützung von Menschen mit ASS (Autismus-Spektrum-Störungen) zu sein. ASS ist mein Lieblingsthema – ich bin immer dabei, mir neues Wissen dazu anzueignen, besuche regelmäßig die Bundestagung Autismus und lese viel zum Thema.

Aktuell betreuen 87 Schulassistenzen der Lebenshilfe Verden 90 SchülerInnen. Wir sind in fast allen Regelschulen des Landkreises Verden unterwegs.

Warum ist der Welt-Autismus-Tag wichtig, und welche Botschaft möchtest du an diesem Tag vermitteln?

Weil Menschen mit ASS in ihren besonderen Fähigkeiten, aber auch mit ihren Bedarfen besser gesehen werden sollten. Wir sind schon gut vorangekommen, es bleibt aber eine Aufgabe, mit Lehrkräften und Schulen im Dialog zu sein, um unseren SchülerInnen mit ASS den Rahmen bieten zu können, der es ihnen ermöglicht, ihre Potentiale zu entfalten.

Welche Herausforderungen begegnen Schulassistenzen im Alltag?

Da gibt es einige! Manchmal „kämpfen“ sie mit den Rahmenbedingungen oder stoßen bei der Klärung von für Ihre SchülerInnen wichtigen Fragen auf Unverständnis oder scheitern an der fehlenden Austauschzeit mit den Lehrkräften. Manchmal ist die Zusammenarbeit mit den Schülern selbst davon geprägt, wie deren Reaktionen auf alltägliche Herausforderungen am besten so zu managen sind, dass ein guter Weg für alle Beteiligten gefunden wird.

Welche Herausforderungen begegnen dir in der Leitung der Schulassistenz?

Herausfordernd kann es werden, wenn sich mehrere verschiedene Personen gleichzeitig mit einem unaufschiebbaren Problem melden und jeder umgehend eine gute Idee, eine schnelle Lösung oder eine sofortige Kommunikation wünscht. Aber ich habe ein tolles Team und wir arbeiten hier immer Hand in Hand!

Welche Qualifikationen und Fähigkeiten sollte eine Schulassistenz mitbringen?

Unsere Traumqualifikation ist natürlich die des Erziehers, Heilerziehungspflegers oder Sozialpädagogen. Aber wir qualifizieren mit mehreren päd. Bausteinen auch Menschen nach, die per Quereinstieg in die Schulassistenz kommen.

Gut ausgerüstet für den Alltag als Schulassistenz ist man, wenn man ein sehr guter Beobachter ist, in jeder Situation die Ruhe behält und ausstrahlt, Empathie mitbringt und über gute Kommunikationsfähigkeiten verfügt. Ein wenig Kreativität kann nicht schaden, wenn es schnell ein Problem zu lösen gilt.

Wie werden Schulassistenzen auf die Arbeit mit autistischen Kindern vorbereitet?

Wir schulen alle unsere Schulassistenzen mit drei Ganztagstrainings zum Thema Autismus – dabei geht das grundlegende Verständnis für ASS, um Besonderheiten in Wahrnehmung und Verhalten, um spezielle gut geeignete Methoden im Umgang mit schulischen Herausforderungen sowie um das Thema Pubertät. Darüber hinaus beraten wir fachlich, wenn spezielle Fragen aufkommen.

Gibt es spezielle Schulungen oder Fortbildungen für den Umgang mit Autismus?

Neben den von uns selbst angebotenen Trainings gibt es tolle Weiterbildungsangebote, auf die wir unsere Schulassistenzen auch aufmerksam machen, so zum Beispiel vom m|colleg in Bremen oder vom ZAK in Hannover. Aber auch Fachtage zum Thema, wie im letzten Jahr in der OBS Langwedel, werden angeboten. Hilfreich können auch Lesungen sein, bei denen Autoren ihre Binnensicht schildern – so waren wir im vergangenen Jahr mit vielen KollegInnen auf einer Lesung von Dr. Peter Schmidt.

Wie hat sich die Arbeit der Schulassistenz in den letzten Jahren verändert?

Die Bedarfe an Schulassistenz steigen, es gibt viele offene Stellen. Viele Kinder mit ganz verschiedenen Diagnosen und sehr individuellen Bedarfen gehen in Regelschulen und benötigen dort Unterstützung. Damit wachsen für die KollegInnen die An- und Herausforderungen – Schulassistenz sein heißt nicht „ein bisschen daneben sitzen und einen Bleistift anreichen“. Ein Schultag an der Seite eines Kindes/eines Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf ist ein intensiver Arbeitstag, an dem man oft spontan Schwierigkeiten überwinden muss, häufig eine „Lanze für die besonderen Bedürfnisse“ brechen muss, schnelle Ideen liefern muss und so manche Krise gemeinsam aushält.

Wie läuft die Kommunikation zwischen Schulassistenz, Schule und Elternhaus ab?

Die Schulassistenzen finden gemeinsam mit den Eltern einen geeigneten Weg – das kann ein Mitteilungsheft sein, ein wöchentliches Telefonat oder ein persönliches Gespräch beim Abholen des Kindes. Schulische Angelegenheiten bleiben direkt zwischen Eltern und Lehrkräften. Wenn es erforderlich ist, treffen wir uns mit den Schulassistenzen und Eltern, manchmal auch Lehrkräften gemeinsam zu einem Runden Tisch.

Wie gut ist das deutsche Schulsystem auf die Bedürfnisse autistischer SchülerInnen eingestellt?

Da gibt es sicher noch Nachholbedarf, sowohl in Sachen Fortbildung der Lehrkräfte zu dieser Diagnose (wer Autismus besser versteht, kann die Bedürfnisse von Autisten besser verstehen) sowie in der Anpassung der Rahmenbedingungen in den Schulen, beispielsweise in der Erstellung geeigneter Nachteilsausgleiche oder in der Verfügbarkeit von zusätzlichen Räumen. Letztendlich kommt es auf die innere Haltung zur Thematik „Autisten an einer Regelschule“ an – mit der Offenheit für besondere Bedarfe und etwas Bereitschaft lassen sich auch heute schon viele Probleme das Alltags gut managen.

Was motiviert dich persönlich, in diesem Bereich zu arbeiten?

Neben meinem tollen Team hier im Büro motiviert mich auch, dass ich hier verbinden kann, worin ich gut bin und was ich gern mache: Ich organisiere und strukturiere leidenschaftlich gern – das muss man bei so vielen Fällen auch mögen.😉 Ich arbeite gern mit verschiedenen  Partnern an guten Lösungen. Ich teile sehr gern mein Wissen, was ich in den Autismus-Trainings immer mal wieder darf. Da ich selbst als Schulassistenz gestartet bin und die Knackpunkte im Alltag kenne, ist eine große Motivation für mich, für unsere Schulassistenzen als Ansprechpartner da zu sein, ihnen bestmögliche Rahmenbedingungen für ihren Job zu schaffen und sie dazu zu motivieren, sich weiterzuentwickeln.

Gibt es etwas, das dir besonders am Herzen liegt und das du uns noch mitgeben möchtest?

Menschen mit Autismus haben häufig einen guten Blick für Details – wenn wir uns diese Perspektive auch ab und an zu eigen machen, sehen wir vielleicht die Kleinigkeiten besser, die manchmal schon reichen, um etwas zu ändern oder zu bewegen!

Danke Ilka, für deinen authentischen Einblick in die Schulassistenz-Welt!